Still und Heimlich
Verbot von Organisation und Treffen der Vertriebenen
In den ersten Jahren nach Kriegsende waren Hilfsstellen und landsmannschaftliche Organisationen von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen durch die jeweilige Besatzungsmacht in ihrem Zuständigkeitsbereich untersagt worden. Die Siegermächte befürchteten eine politische Radikalisierung angesichts der Not und Anzahl der Vertriebenen. Trotz der Verbote kam es zu heimlichen Zusammenkünften und verdeckten Organisationsformen in allen Besatzungszonen. In den drei Westzonen wurde das Verbot 1948 aufgehoben. In der SBZ strebten die SMAD und später die DDR die vollkommene Assimilation der Vertriebenen an. Traditionsvereine oder Verbände, die politische oder soziale Forderungen erhoben oder ein kulturelles Sonderbewusstsein pflegten, blieben verboten. Das Singen heimatlicher Volkslieder, das Tragen der alten Tracht und andere Formen der Brauchtumspflege wurden unter den Generalverdacht einer nationalistischen bzw. faschistischen Gesinnung gestellt und verboten. Privat organisierte, kleinere Treffen von Vertriebenen wurden beobachtet, durch Mitarbeiter der Staatsicherheit unterwandert und teilweise verhindert. Obwohl die DDR in Art. 12 ihrer Verfassung die Gründung von Vereinen formal zuließ, war es nicht möglich, Vereinigungen von Vertriebenen zu gründen.
Seit Ende der 1940er kam es in der Bundesrepublik alljährlich zu Deutschland-Treffen, an denen anfangs hunderttausende Vertriebene teilnahmen. Hier traf man Nachbarn und Freunde aus der Heimat. Hier artikulierten die Vertriebenenfunktionäre ihre politischen Forderungen wie etwa den Lastenausgleich, Rückkehr in die Heimat, Oder-Neiße-Linie, soziale und gesellschaftliche Teilhabe.
Bis zur Abriegelung der westlichen Grenze zur Bundesrepublik 1951 und bis zum Berliner Mauerbau 1961 konnten Vertriebene in der SBZ und DDR an Vertriebenentreffen in der Bundesrepublik und in West-Berlin teilnehmen, wenn sie diese Reisen als Verwandtenbesuch tarnten. Nach dem Mauerbau konnten zumindest Rentner - ihnen war die Ausreise gestattet - Vertriebenentreffen besuchen und ihren Angehörigen in der DDR davon berichten.
Zahlenmäßig kleinere Treffen fanden auch in der SBZ und DDR statt. Sie wurden als Klassentreffen, Ausflüge oder zufällige Begegnungen von Menschen der gleichen Herkunftsregion getarnt. Auch unter dem Dach der Kirche fanden solche Begegnungen statt,
Heimliche Treffen im Zoo
Heimweh kennt jeder – manchen überkommt es sogar im Urlaub! Horst Müller weiß noch, wie sich im Leipziger Zoo „Umsiedler“ trafen und worüber die 16-Jährigen sprachen […]
Dauer: 0:29 Minuten
© MDR FERNSEHEN, 7. November 2006
Auszug aus der Verfassung der DDR
Art. 6: Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleichberechtigt. Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen und Organisationen, Mordhetze gegen demokratische Politiker, Bekundung von Glaubens-, Rassen-, Völkerhass, militaristische Propaganda sowie Kriegshetze und alle sonstigen Handlungen, die sich gegen die Gleichberechtigung richten, sind Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuches. Ausübung demokratischer Rechte im Sinne der Verfassung ist keine Boykotthetze.
Art. 12: Alle Bürger haben das Recht, zu Zwecken, die den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, Vereine oder Gesellschaften zu bilden.
Auszug aus dem Gesetz zum Schutze des Friedens vom 15. Dezember 1950
Art. 3. (1) Wer die Wiederaufrichtung des aggressiven deutschen Militarismus und Imperialismus oder die Einbeziehung Deutschlands in einen aggressiven Militärblock propagiert, wird mit Gefängnis, in schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer gegen völkerrechtliche Vereinbarungen, welche der Wahrung und Festigung des Friedens, der Entwicklung Deutschlands auf demokratischer und friedlicher Grundlage dienen, hetzt, zum Bruch solcher Vereinbarungen au ordert, um Deutschland in aggressive Kriegshandlungen hineinzuziehen.
Auszüge aus der Verfassung der DDR, 1949,
und dem Gesetz zum Schutze des Friedens, 1950
Mit der Gründung der DDR und dem Inkrafttreten der Verfassung der DDR am 9. Oktober 1949 hat Artikel 6 dieser Verfassung formalrechtlich jedem Bürger das Recht zur Gründung auch von landsmannschaftlichen Vereinen erlaubt. Es entsprach jedoch nicht der DDR-Staatsdoktrin und so wurde bald nach Hinweisen gesucht, die Vertriebenenorganisationen als friedens- und staatsgefährdende Zusammenschlüsse zu verleumden und sie unter den Generalverdacht der Kriegshetze zu stellen. Das Gesetz zum Schutze des Friedens vom 15. Dezember. 1950 ist knapp ein halbes Jahr nach dem Görlitzer Abkommen zur Oder-Neiße-Grenze beschlossen worden. Es spiegelte den Widerspruch zwischen dem Recht auf Zusammenkünfte der Vertriebenen und der Gefahr für die Betroffenen gegen bestehende Regelungen zu verstoßen. Themen wie Rückkehr in die Heimat, kritische Positionen zur Oder-Neiße-Grenze oder Kontakte zu westdeutschen Organisationen waren ausreichender Grund für eine geheimpolizeiliche Beobachtung bis hin zu einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Kriegshetze.
Stasi-Bericht
Umsiedler in der DDR, 11. Juli 1956
Am 10.6.1956 fand in Groß Leuthen, Kreis Lübben, in einer Gaststätte, unter der Tarnung eines Spreewaldausfluges ein sogenanntes Heimattreffen der Schlesier statt. Aus der Gegend von Neuruppin kam ein Omnibus mit ungefähr 35 Personen. Organisiert wurde dieses Treffen von einigen Kollegen des Carmolwerkes Gröditsch und werktätigen Einzelbauern und Gemeindevertretern von Groß-Leuthen. Es konnte festgestellt werden, dass im Laufe des Nachmittags 100 Personen in Groß-Leuthen eintrafen und sinngemäß so diskutierten: „Es ist hier alles Dreck, in Schlesien war es besser. Hier ist so schlechter Boden“ und noch anderes mehr. Wie bereits angeführt fand dieses Treffen unter dem Deckmantel eines Spreewaldausfluges statt, wo nach dem Mittagessen die Reise fortgesetzt werden sollte. In Wirklichkeit war dieser Personenkreis jedoch bis 22:00 Uhr in Groß-Leuthen versammelt.
© Bundesarchiv, BStU, MfS, AS 81/59, Bl. 122–156
Stasi-Bericht
Umsiedler in der DDR, 11. Juli 1956
Im Bezirk Frankfurt/O. ist der Kreis Seelow mit den Gemeinden Manschow und Kietz Schwerpunkt. Aus diesen Gemeinden fahren öfters ehemalige Umsiedler zu den angesetzten „Umsiedlertreffen“ nach Westberlin.
In Manschow trugen ehemalige Umsiedler die Plakate von dem durchgeführten „Heimattreffen“ der ehemaligen Küstriner in Westberlin.
© Bundesarchiv, BStU, MfS, AS 81/59, Bl. 122–156
Stasi-Bericht
Umsiedler in der DDR, 11. Juli 1956
In der Gemeinde Nemt, [Kreis] Wurzen, [Bezirk] Leipzig, wurde festgestellt, dass die dortigen Umsiedler, speziell aus dem früheren Sudetenland, einen Heimatkreis gebildet haben. In diesen Zusammenkünften des Heimatkreises werden sogenannte Heimatbriefe verlesen und diskutiert. Die Mitglieder dieses Heimatkreises, die im gesamten Bereich verstreut wohnen, werben ständig neue Teilnehmer für ihre Zusammenkünfte. Bis jetzt konnte noch nicht ermittelt werden, wo diese Zusammenkünfte stattfinden und wie stark dieser Teilnehmerkreis ist.
© Bundesarchiv, BStU, MfS, AS 81/59, Bl. 122–156
Aus einem Erinnerungsbericht der Schriftstellerin Lore K. aus Hirschberg, Schlesien, 1952
Mit dem Erwachen der Natur erwachte auch in mir der Wille zum Leben, zum Helfen, zum Losreißen aus der Lethargie. Ich wollte mich nun meiner heimatvertriebenen Landsleute annehmen, ihnen durch schöngeistige Zusammenkünfte aus der Not des Alltags helfen, ihnen durch Rat und Tat versuchen ihr Los zu erleichtern, Behördengänge abnehmen, ihnen allen, die in Wort und Schrift nicht so bewandert waren. Wir fanden auch ein nettes Lokal bei Wirtsleuten, die auch einst aus Schlesien gekommen waren. Dort durften wir uns einmal wöchentlich treffen. Manche Träne rann über die abgehärmten Gesichtszüge der Alten, wenn wir von unserem geliebten Schlesierland sprachen.
Einige Wochen war dieses Heimattreffen unser ganzer Trost. Vielleicht war ein Spitzel im Lokal oder man belauschte uns von der Straße aus, jedenfalls erschien bei unserem nächsten Zusammensein ein Posten der sowjetischen Streife und verbot uns ab sofort jedes weitere Treffen. Mit einigen Männern musste ich sofort auf die Kommandantur. Dort wurde ein großes Verhör aufgezogen, weshalb wir wohl diese heimlichen Zusammenkünfte veranstalteten. Nur um den Menschen hier das Einleben zu erschweren! Es wurde uns jedes weitere „Ansammeln“ verboten, es sei illegal.
© Manfred Wille, Gehasst und umsorgt. Aufnahme und Eingliederung der Vertriebenen in Thüringen, UND-Verlag, 2006
Eva-Maria Bette, geb. 1933 in Wobesde, Pommern berichtet
In der DDR gab es das nicht. Organisationen, wo man sich hätte als Pommern oder Schlesier treffen können, gab es in der DDR nicht. Wir sind alle in verschiedene Orte gekommen, so dass wir gar keine Verbindungen zu ehemaligen Pommern herstellen konnten. Ich habe noch Cousins in Sachsen-Anhalt, in dem Ort sind aus meinem Heimatort mehrere Familien mit angesiedelt worden. Die haben sich viele, viele Jahrzehnte noch getroffen. Die haben zusammengehalten. Aber in Leipzig war das nicht möglich.
Das im Jahre 2023 aufgenommene Interview kann über den Button abgerufen werden
Prof. Dr. Otto Weiss, geb. 1932 in Arnau, Sudetenland berichtet
Ich habe in Halle studiert. Und Halle hat einen Zoo. […] Und dort trafen sich nach dem Krieg die Sudetendeutschen, auch die Riesengebirgler. Und da bin ich, als ich dann der ABF war, hin. Hab gehört davon und bin hin. […] Und als ich den Zoo in Halle verlasse, steigt die Bereitschaftspolizei von ihren Autos und dann haben sie alle Leute, die da in dem Zoo waren, überprüft. Und da waren dann auch eine ganze Reihe Studenten, die wurden sofort aus dem Studium entlassen.
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Oswald Wöhl, geb. 1941 in Neustadt an der Tafelfichte, Sudetenland berichtet
Es gab Treff en im Restaurant, das war auch sehr lustig, das nannte sich Rübezahl, wurde ja verteufelt, durfte nichts aus der Heimat sein. Ich glaube, das heißt heut noch Rübezahl in den Mittelbergen, ein herrliches Restaurant. Viele, viele Heimatvertriebene aus dem Gebiet von Friedland, die sind angereist von Neustrelitz und Umgebung Fürstenberg, Havel, Frankfurt Oder, Bernau bis aus dem Kreisgebiet Hagenow, um Treffen durchzuführen. Im Park Sanssouci habe ich selber mal eine Gruppe geführt und dann gab es Informationen, Hinweise, dass derartige Treffen, die unter anderem im Bergzoo von Halle an der Saale durchgeführt wurden, verraten worden sind. Und es hat Inhaftierung gegeben und das wurde einfach zu gefährlich. Nichts war für die Regierenden so schlimm, als wenn man auf das Leid und Unrecht der Vertreibung zu sprechen gekommen ist. Zusammenrottung, revanchistische Aktivitäten wurde das bezeichnet. Und damit war dann Schluss. Hat auch ein jeder verstanden. Der Gefahr konnte man sich nicht aussetzen und das muss man auch verstehen. Und das ist nicht nur den Sudetendeutschen so gegangen, sondern auch anderen. Ja, das sollte alles, wie man so sprichwörtlich sagt, unter den Tisch gekehrt werden. Nicht daran rühren. Und du hast dich damit abzufinden.
Das im Jahre 2023 aufgenommene Interview kann über den Button abgerufen werden
Der „Tag der Heimat“ in der Waldbühne Berlin
An den Treffen der Heimatvertriebenen in der Waldbühne Berlin nahmen auch die Vertriebenen aus der DDR teil. Sie nutzen diesen Tag für die Zusammenkünfte mit Freunden und Familien – auch wenn ihr Schicksal sie in verschiedene Teile Deutschlands verschlagen hatte.
https://www.filmothek.bundesarchiv.de/video/584405?set_lang=de
Dauer: 1:00 Minute
„Tag der Heimat“ 11. August 1951
Welt im Film
Dauer: 1:55 Minuten
„Tag der Heimat“, 6. September 1960
UFA-Wochenschau
Umsiedlung abgeschlossen
Die Vertriebenenpolitik der SED und der Blockparteien
Die 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone zugelassenen Parteien (SPD, KPD, CDU, LDP) hatten zunächst unterschiedliche Auffassungen zu den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz. Nur die KPD stellte sich bedingungslos hinter die Politik der Sowjetunion. Die SMAD versuchte jegliche Kritik an den Grenzänderungen und den Vertreibungen zu unterbinden.
Nach der Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) im Frühjahr 1946 wurde diese von der SMAD unterstützt.
Dennoch blieb sie bei den Landtagswahlen 1946 hinter ihren Erwartungen zurück. Für das schlechte Wahlergebnis sei vor allem die SMAD-konforme Haltung der SED zur Oder-Neiße-Grenze und das Wahlverhalten der Vertriebenen verantwortlich, analysierte die SMAD.
Ab 1947 formulierte die SED nicht mehr die Integration, sondern die Assimilierung der "Umsiedler" als Ziel. Dies forderte neben der vollständigen Anpassung der Vertriebenen an die neue Heimat auch die endgültige Anerkennung der Oder-Neiße- Grenze. CDU und LDP als bürgerliche Parteien verweigerten sich dieser Politik und versuchten vertriebenenspezifische Maßnahmen einzufordern und einzuführen,
um so die Vertriebenen an sich zu binden. Sie scheiterten jedoch an der Dominanz der SED in den Parlamenten und Verwaltungen. Spätestens mit dem Görlitzer Vertrag mussten zsie ihre Politik ändern und wurden in viele der oft unpopulären Maßnahmen der SED-Umsiedlerpolitik eingebunden. Keinesfalls sollten die bürgerlichen Parteien ein Sammelbecken für unzufriedene Vertriebene bilden.
1947 waren Vertriebene in der SED deutlich unterrepräsentiert. In Mecklenburg betrug ihr Anteil ca. 25 %, obwohl Vertriebene dort fast die Hälfte der Gesamtbevölkerung ausmachten. In Sachsen waren ca. 3 % der Vertriebenen Mitglied der SED, während der Anteil von Parteimitgliedern in der Gesamtbevölkerung bei rund 10 % lag. Innerhalb der Partei blieben die Vertriebenen lange Zeit eine gesonderte Gruppe, die von den einflussreichsten Posten ferngehalten wurde.
Blockpartei
Blockparteien sind politische Parteien, die in Staaten neben der herrschenden Partei existieren und mit dieser in einem Parteienblock zusammengeschlossen sind. Diese Parteien sind in Parlamenten und Regierungen vertreten, ohne eigentliche Macht ausüben zu können. Sie stehen nicht in Wahlkonkurrenz zur herrschenden Partei.
Blockparteien werden aus zwei Gründen zugelassen oder gar von den Machthabern selbst gegründet: Sie sollen den Anschein erwecken, es gäbe einen funktionierenden Parteienpluralismus und damit eine Voraussetzung für ein demokratisches System. Außerdem sollen Blockparteien die Regierungspolitik auch denen nahebringen, die der machthabenden Partei kritisch gegenüberstehen.
Liberal-Demokratische Partei Deutschlands
Die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (Kurzbezeichnung: LDP bzw. LDPD) war eine im Juli 1945 gegründete, ursprünglich liberale Partei in der Sowjetischen Besatzungszone und der späteren DDR, die unter anderem Abgeordnete und Minister in den Staatsorganen stellte. Sie wurde Anfang der 1950er Jahre gleichgeschaltet und als eine der sogenannten Blockparteien in die Nationale Front eingebunden. Die LDPD akzeptierte und unterstützte fortan den Führungsanspruch der SED. Im Zuge der politischen Wende in der DDR emanzipierte sie sich wieder und ging - nach zwischenzeitlich erfolgter Fusion mit der National-Demokratischen Partei Deutschlands (NDPD) zum Bund Freier Demokraten - schließlich im August 1990 in der gesamtdeutschen FDP auf.
Historische Einordnung
Von der SED wurde Integration – anders als von den Menschen – nur als eine formalrechtliche Frage sowie eine von Wohnung und Arbeit gesehen, so dass man das Thema Anfang der fünfziger Jahre für beendet erklärte. Politisch galt ihr die Integration allerdings – in der geheimen Beobachtung der Betroffenen durch das Ministerium für Staatssicherheit – auch weiterhin als Desiderat, solange z. B. nicht alle Vertriebenen die Oder-Neiße-Grenze anerkannten und in ihren Kreisen Ruhe einkehrte, d. h. die zunächst überall und immer wieder aufflackernde Rückkehrforderung nicht mehr artikuliert wurde.
© Peter Bahl, Belastung und Bereicherung, Vertriebenenintegration in Brandenburg ab 1945, Berliner Wissenschaftsverlag 2020
Wenig ist gar nichts
Das Umsiedler-Gesetz der DDR von 1950
Zwischen 1945 und 1949 wurden auf Befehl der SMAD Soforthilfezahlungen in Höhe von 300 Mark an nicht arbeitsfähige Vertriebene ausgezahlt. Kinder unter 14 Jahren erhielten eine ergänzende Unterstützung in Höhe von 100 Mark. 1948 wurde die Umsiedlerhilfe auf 50 Mark pro Person gekürzt. 45 % der Vertriebenen in der SBZ profitierten von diesen Hilfszahlungen. Die Wirkung war wegen der geringen Kauf- kraft der Währung aber gering.
Da sich die Situation der Vertriebenen bis 1950 nicht signifikant gebessert hatte, die Lebensbedingungen zwischen den Vertriebenen und den Einheimischen unterschiedlich und die Unzufriedenheit der Betroffenen spürbar war, beschloss die DDR- Führung angesichts der Wahlen zur Volkskammer im Oktober 1950 das Umsiedlergesetz. Am 8. September 1950 wurde das "Gesetz zur weiteren Verbesserung der Lage der ehemaligen Umsiedler" (kurz Umsiedler-Gesetz) verabschiedet. Mit der Bezeichnung "ehemalige Umsiedler" wurde die endgültige Lösung des Vertriebenenproblems unterstrichen. Sie wurde fortan zur offiziellen Sprachregelung in der DDR.
Ziel des Gesetzes war die Verbesserung der materiellen Lebensbedingungen der Vertriebenen. Es bot keine Entschädigung für materielle Verluste, sondern lediglich zinslose Kredite für bedürftige "Umsiedler-Neubauern" und Handwerker in Höhe
von 5.000 Mark, die Förderung und finanzielle Unterstützung von "Umsiedlerkindern" mit 25 Mark monatlich in Schule und Ausbildung sowie einen Wohnbedarfskredit in Höhe von 1.000 Mark. Rentner, auf Sozialhilfe angewiesene Vertriebene oder allein- stehende Frauen, die geringe Einkommen hatten, waren benachteiligt, weil sie die Rückzahlung der Kredite nicht erbringen konnten. Zwischen 1950 und 1953 erhielten ca. 700.000 "Umsiedlerfamilien", darunter die rund 91.000 Neubauern und 6.800 Handwerker Aufbaukredite. Diese Förderprogramme wurden 1953 beendet. Sie passten nicht zur Politik der Verstaatlichung der Wirtschaft. Sonderprogramme oder eine eigene Vertriebenenpolitik gab es seitdem in der DDR nicht mehr.
Die Parteiführung wies Forderungen nach einem Lastenausgleich, wie er 1952 in der Bundesrepublik beschlossen wurde, zurück. Die Bodenreform und die allgemeine sozialistische Umgestaltung der Wirtschaft mit der Enteignung von Banken und Großbetrieben sei dem westdeutschen Modell der Vertriebenenpolitik überlegen, so der offizielle Standpunkt der SED. Tatsächlich aber fehlten in der ökonomisch schwachen DDR vor allem der Wille und die finanziellen Mittel für eine entschädigungsartige Leistung.
Historische Einordnung
Vor diesem Hintergrund musste sich die SED-Umsiedlerpolitik darauf beschränken, eine „Hebung des Sozialniveaus der Flüchtlinge auf den gedrückten Stand der Eingeborenenbevölkerung“ zu organisieren. Das war die begrenzte Funktion des am 8. September 1950 verabschiedeten „Gesetzes zur weiteren Verbesserung der Lage der ehemaligen Umsiedler“, das sich vor allem auf Hilfe zur Selbsthilfe für erwerbstätige Vertriebene in gesellschaftspolitisch erwünschten Wirtschaftspositionen (Neubauern, Kleinhandwerker, VEB-Belegschaften) und auf Ausbildungsförderung für Jugendliche konzentrierte. Ansonsten sollte die soziale Notlage der Vertriebenen im SED-Staat lediglich dadurch gelindert werden, dass man ihnen Kredite zur Möbelausstattung anbot – zu Konditionen, die die sozial schwächsten Vertriebenen (Rentner und Sozialunterstützungsempfänger) tendenziell ausgrenzten. Das DDR-Umsiedlergesetz von 1950 war formal dem westdeutschen Soforthilfegesetz von 1949 vergleichbar, doch inhaltlich gewährte es, anders als die westdeutsche Hausratshilfe, diese lediglich als Kredit und nicht als Entschädigung. Eine Unterhaltshilfe für bedürftige Vertriebene, welche diese – wie im Westen – aus der als demütigend empfundenen Sozialhilfe herausgenommen hätte, wurde von der DDR-Führung 1950 zwar erwogen, jedoch, vermutlich aus finanziellen Gründen, nicht umgesetzt.
© Michael Schwartz, Vertriebene im doppelten Deutschland, Integrations- und Erinnerungspolitik in der DDR und in der Bundesrepublik, VfZ 1/2008, Oldenburg 2008
Schreiben des Stadtrats Stralsund an einen Vertriebenen wegen seiner Tilgungsraten vom 13. Januar 1953
Ihrem Antrag auf einen teilweisen Erlass der Tilgungsraten Ihres Umsiedler- Wohnbedarfskredites können wir leider nicht entsprechen. Ihre gegenwärtige schwierige Lage verkennen wir keinesfalls, sind jedoch gehalten, die bestehenden Bestimmungen zu beachten. Wir sind bereit, Ihnen die monatlichen Tilgungsraten bis zum Mai 1953 zu stunden und die Rückzahlungsfrist von drei auf fünf Jahre zu verlängern. Bei dieser Gelegenheit möchten wir nicht unterlassen, Sie darauf aufmerksam zu machen, dass die monatlichen Rückzahlungsraten zur Befriedigung neuer Kreditanträge dienen.
© Hansestadt Stralsund, Stadtarchiv, Rep. 59, Nummer 472
Auszug aus einem Schreiben einer Vertriebenen an den Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck, zu Rückzahlungsschwierigkeiten eines Umsiedlerkredites
Ich weiß mir keinen anderen Rat mehr und schreibe deshalb an Sie. Es betrifft nämlich den Umsiedlerkredit. Als ich damals den Kredit beantragte, dachte ich nicht, dass es so schwer war, es abzuzahlen. Ich bin aus Hinterpommern aus dem Kreise Kolberg hierhergekommen. Habe vier Kinder im Alter von elf Jahren, sechs, fünf und zwei Jahren. Mein Mann verdient den Monat 300-340 Mark mit sechs Personen. Wenn da die Miete, Licht, Gas und alles was Strom ist, zu bezahlen ist, bleibt nicht mehr viel übrig. Ich weiß deshalb nicht, wie ich da noch den Kredit bezahlen kann. Ich habe 110 Mark schon abgezahlt und bin aber trotzdem mit 300 Mark im Rückstand. […] Ich weiß nicht mehr, wie ich es machen soll. Ich möchte es ja so gerne bezahlen, aber ich kann nicht. Ich befürchte, dass die Kasse sich das Geld vom meines Mannes Betrieb holen wird und dann haben wir nichts mehr zum Leben.
© Hansestadt Stralsund, Stadtarchiv, RIP. 59, Nummer 472
Auszug aus einem Schreiben eines Vertriebenen an den Innenminister der DDR vom 22. Oktober 1950
Ich bin Umsiedler aus Königsberg und wohne seit 1946 mit meiner Frau in einer Sommerlaube, in der im Winter das Wasser von den Wänden läuft. 1947 habe ich von der Bodenreform eine Siedlerstelle von circa 1.000 qm in der Karl-Marx-Straße erhalten, auf der bereits teilweise die Umfassungsmauern für ein Kleinwohnhaus standen. Ich bemühe mich nun schon seit Jahren, einen Baukredit von 4.000 Mark zur Fertigstellung zu erhalten. Die Investitionsbank in Potsdam gibt keinen Baukredit auf Grundstücke der Bodenreform. […] Jetzt hoffte ich auf die Umsiedlerhilfe zu einem Baukredit zu kommen, aber auch das hat die Stadtverwaltung von Königs-Wusterhausen abgelehnt, mit der Begründung, dass ich mit meiner 1.000 qm Parzelle kein Neubauer bin, sondern nur Handwerksmeister. Es kann doch aber nicht im Sinne des Gesetzes sein, dass Umsiedler, die sich den Wohnraum selbst ausbauen können, für die Beschaffung der Materialien keinen Kredit erhalten und der vorhandene Bau weiterhin den Witterungseinflüssen ausgesetzt wird.
© Bundesarchiv, DN 1/2344
Auszug aus einem Schreiben einer Vertriebenen an die Landesregierung Brandenburg vom 31. Januar 1952
Ich bitte die Landesregierung, ob es nicht möglich wäre, mir meinen Kreditschein auf fünf Jahre zu verlängern. Da ich doch Witwe von 52 Jahren bin und ich nur Sozialfürsorgeunterstützung in den Wintermonaten bekomme und im Sommer Gelegenheitsarbeiterin bin. So ist es mir nicht möglich, meine Schuld jetzt abzuzahlen. So wie ich dann etwas verdiene, so will ich auch gern wieder abzahlen. Wenn ich schließlich gewusst hätte, dass die Bank in Kyritz andauernd die Mahnungen schickt, so hätte ich keinen Kredit genommen. Von den 51 Mark monatlich Fürsorgeunterstützung ist es mir nicht möglich, 18 Mark abzuzahlen, denn ich muss davon leben, Miete zahlen und Feuerung kaufen. So bitte ich nochmals mir meinen Kreditschein auf fünf Jahre zu verlängern. Ich bin Flüchtling jenseits der Oder und habe alles verloren.
© BLHA, Ld. Br. Rep.203, Ministerin des Innern, Nr. 1186, Bl. 22
Auszug aus einem Schreiben eines Vertriebenen an den Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck, vom 28. März 1952
In der Notlage erlaube ich mir eine Bitte vorzutragen. Meine Frau und ich sind Umsiedler. Wir bekamen im Oktober 1950 einen Kreditschein über 1.000 Mark. Davon wurde uns 400 Mark zur Verfügung gestellt, die seiner Zeit nur für einen Küchenschrank und einige Kleinigkeiten ausreichen. Dann wurde der Schein gesperrt. Da mein Gehalt damals 270 Mark betrug, war es mir nicht möglich, unseren jungen Haushalt einzurichten. Trotz mehrfachen Bemühungen ist es mir leider nicht gelungen, meinen Kreditschein zu erweitern. Ich möchte Ihnen, geehrter Präsident, heute die Bitte vortragen, eine Lockerung meines Kreditscheins um weitere 400 Mark zu veranlassen, damit ich mir die dringend benötigte Bettwäsche und ein Stück Möbel dafür erstehen kann.
© Hansestadt Stralsund, Stadtarchiv Rap. 50, Nr. 1208
Bis hierhin und nicht weiter
Die „Oder-Neiße-Friedensgrenze“ von 1950
Auf der Konferenz von Jalta wurde von den Alliierten die Westverschiebung Polens bis zur Oder-Neiße-Linie beschlossen. In West-Deutschland stieß diese Grenzziehung auf Ablehnung. Auch in der SBZ lehnten die kommunistischen Machthaber der SED die Regelung zunächst ab. Diese Haltung musste die Partei alsbald revidieren.
Stalin duldete keinen Zwist zwischen der SBZ und später der DDR und Polen und setzte sich mit seiner Position über die Zuordnung der Gebiete durch. Im Juni 1950 reiste eine Delegation unter Walter Ulbricht nach Warschau. Die dort erzielte Einigung war wiederum unter dem Druck der Sowjetunion zustande gekommen. Die DDR-Delegation nahm in Kauf, dass viele Städte und Gemeinden entlang der Grenze, wie Küstrin, Frankfurt / Oder, Guben, Bad Muskau und Görlitz geteilt wurden.
Am 6. Juli 1950 wurde der Grenzverlauf zwischen Polen und der DDR im Görlitzer Abkommen festgelegt. Mit der sogenannten "Oder-Neiße-Friedensgrenze" sollte jede Hoffnung der Vertriebenen, eines Tages in die alte Heimat östlich der neuen Grenze zurückzukehren, im Keim erstickt werden.
Die Vertriebenen empfanden die schnelle Regelung über den Grenzverlauf als Verrat an den deutschen Interessen und als endgültigen Verlust ihrer Heimat. Hatten sie bis dahin auf eine im Potsdamer Protokoll vereinbarte Friedensregelung gehofft ,so war nunmehr die Hoffnung auf eine Rückkehr in die Heimat endgültig zunichte gemacht.
Ab diesem Zeitpunkt begann auch die geheimdienstliche und strafrechtliche Verfolgung der Kritiker und Gegner der Oder-Neiße-Grenze. Mit dem Gesetz zum Schutze des Friedens vom 15. Dezember 1950 schaffte die DDR-Führung eine strafrechtliche Grundlage, um Kritik der Vertriebenen und Andersdenkenden, u.a. an der Grenzpolitik und den geschaffenen Realitäten mundtot zu machen. Nur wenige trauten sich zu opponieren und Zuchthaus oder gar Deportation in die Sowjetunion in Kauf zu nehmen.
Am 23. Juni 1950 stellten die DDR und die Tschechoslowakei in der „Prager Deklaration" fest, dass es zwischen ihnen "keine strittigen und offenen Fragen" und "keine Gebiets- und Grenzansprüche" gebe. Die Vertreibung der Sudetendeutschen sei "unabänderlich, gerecht und endgültig". Ähnliche Verlautbarungen über die Entwicklung guter Beziehungen tauschte die DDR mit Ungarn (24. Juni 1950), Rumänien (22. September 1950) und Bulgarien (29. September 1950) aus.
Im Kontext des Görlitzer Vertrages kam es 1950 zu Umbenennungen von Straßen und Bahnhöfen. So wurde der Schlesische Bahnhof in Ost-Berlin in Ostbahnhof und der Stettiner Bahnhof in Nordbahnhof umbenannt.
In einer 1965 stattgefundenen Umfrage des DDR-Instituts für Meinungsforschung erklärten aber immer noch ein Drittel der Befragten, die derzeitigen Grenzen Deutschlands nicht für endgültig zu halten, sondern meinten, dass jene von 1937 wiederhergestellt werden sollten.
Stasi-Bericht
Umsiedler in der DDR, 11. Juli 1956
Die Stimmung der Umsiedler zu politischen Fragen unterscheidet sich kaum von denen der übrigen Bevölkerung. Dabei ist zu bemerken, dass im Allgemeinen wenig über politische Fragen diskutiert wird. Bei den wenigen politischen Gesprächen ist aber festzustellen, dass die Mehrheit der Umsiedler der Politik der Regierung und Partei in der DDR positiv gegenübersteht. Dies trifft vor allem bei den Umsiedlern, die in der Industrie beschäftigt sind, zu und bei denen, die demokratischen Organisationen bzw. Parteien beigetreten sind.
© Bundesarchiv, BStU, MfS, AS 81/59, Bl. 122–156
Stasi-Bericht
Umsiedler in der DDR, 11. Juli 1956
Der Vorsitzende der Konsumgenossenschaft Leipzig-Stadt, äußerte: „Meine Familie habe ich erst 1949 in Nerchau bei Leipzig wiedergefunden und denke auch heute noch oft an meine Heimat Breslau. Aber ich erkenne die Oder-Neiße-Friedensgrenze voll an, denn ich weiß, dass meine ehemalige Heimat in den Händen der polnischen Arbeiterschaft ist. Das ist mir tausend mal lieber als die Herrschaft der früheren Großgrundbesitzer und Kapitalisten. Außerdem fühle ich mich in Leipzig sehr wohl.“
© Bundesarchiv, BStU, MfS, AS 81/59, Bl. 122–156
Stasi-Bericht
Umsiedler in der DDR, 11. Juli 1956
Neben den positiv eingestellten ehemaligen Umsiedlern gibt es auch solche – besonders ältere – die mit der Entwicklung in der DDR nicht einverstanden sind und vereinzelt wird auch noch in negativer Form über die Oder-Neiße-Friedensgrenze diskutiert, wobei man dies in Verbindung mit der Saarfrage bringt oder äußert, dass die Freundschaft zwischen Polen und der DDR nicht echt sei, da man sonst die Oder-Neiße-Grenze revidieren würde, was der ehemalige Umsiedler aus Steinbach, [Kreis] Borna, zum Ausdruck brachte. Betont werden muss aber, dass es sich bei den negativen Diskussionen um Einzelbeispiele handelt.
© Bundesarchiv, BStU, MfS, AS 81/59, Bl. 122–156
Stasi-Bericht
Umsiedler in der DDR, 11. Juli 1956
Auch über die Oder-Neiße-Friedensgrenze wird nicht mehr in dem Umfang diskutiert als noch im vergangenen Jahr, sondern man spricht nur noch vereinzelt darüber. Hierzu einige charakteristischen Beispiele für die Umsiedler, die in der Industrie beschäftigt sind: Der Arbeiter (parteilos) aus dem Reparaturwerk Wünsdorf, meinte: „Schlesien ist unsere Heimat, dass wir jedoch nicht mehr zurückkommen, leuchtet mir vollkommen ein, denn die Oder-Neiße-Grenze musste geschaffen werden, um den Frieden zu erhalten.“
© Bundesarchiv, BStU, MfS, AS 81/59, Bl. 122–156
Stasi-Bericht
Umsiedler in der DDR, 11. Juli 1956
Bei der Hetze der Feindzentralen 22 und Feindsender spielt die Oder-Neiße- Grenze immer wieder eine entscheidende Rolle, um die aus diesen Gebieten umgesiedelten Menschen mit revanchistischen Gedanken zu beeinflussen und sie für die verbrecherischen Ziele der Feinde zu missbrauchen. In den Hetzschriften wird besonders zu den sogenannten „Heimattreffen“ in Westberlin Stellung genommen, und verbreitet, dass die „Aussiedlung unter Bruch der Menschenrechte erfolgt wäre und die Hoffnung auf Rückkehr nicht aufgegeben werden dürfe“. Dadurch soll erreicht werden, dass die ehemaligen Umsiedler noch auf eine Rückkehr in ihre alte Heimat hoffen.
© Bundesarchiv, BStU, MfS, AS 81/59, Bl. 122–156
Historische Einordnung
Als jedoch Walter Ulbricht Ende 1948 die bereits 1945 von W. Gomułka eingeführte Bezeichnung „Friedensgrenze“ auch als prägenden Begriff in die politische Terminologie der SED und SBZ einführte und in der DDR ab 1949 die „Friedensgrenze“ zu einem Teil der Staatsräson wurde, fühlten sich viele Vertriebene, die ohnehin Gewalt zur Beseitigung der „Friedensgrenze“ mehrheitlich ablehnten, mit ihren Sorgen und Gefühlen – ähnlich wie beim vorgeschriebenen Gebrauch des beschönigenden Begriffs „Umsiedler“ – aus dem öffentlichen Leben verdrängt.
© Peter Bahl, Belastung und Bereicherung, Vertriebenenintegration in Brandenburg ab 1945, Berliner Wissenschaftsverlag 2020
Kundgebung in Guben und Cottbus, Wilhelm Pieck, Vorsitzender der SED, 13. September 1946
Die sozialistische Einheitspartei ist für eine Revision der Ostgrenze. Sie wendet sich aber gegen die Mittel und Methoden, die in dieser Frage von Führern der CDU und LDP propagiert werden. Ihre Behandlung dieser Frage ist demagogisch und provokatorisch. Sie entfachen Chauvinismus und Revanchegeist. Ihre Methoden wirken zersetzend, stören den Neuaufbau der Wirtschaft und hindern somit die Überwindung der durch das Hitlerregime und den Krieg verursachten Not unseres Volkes. Mit diesen Mitteln und Methoden kann die Frage der Revision der Ostgrenze nicht entschieden werden. Nur wenn die faschistische Reaktion niedergerungen und sich der Geist des Friedens und der Demokratie in unserem Volke durchsetzt, ist zu hoffen, dass auf der Friedenskonferenz die Frage der Ostgrenze so entschieden wird, wie das im Lebensinteresse unseres Volkes ist. Die sozialistische Einheitspartei tritt entschieden dafür ein, dass auf der kommenden Friedenskonferenz die Ostgrenzen einer Revision im Interesse des deutschen Volkes unterzogen werden.
© Manfred Wille (Hg.), Die Vertriebenen in der SBZ/DDR, Dokumente, Bd. III, Organisationen, Institutionen und die Umsiedler 1945- 1953, Harrasowitz-Verlag, 2003
Ein Mitarbeiter des VEB Gubenex Schuhfabrik äußerte sich auf einer Betriebswahlversammlung am 28. September 1950
Es ist verboten, von der Oder-Neiße-Linie zu sprechen und wer darüber spricht, ist ein Kriegshetzer. Im Radio der Ostsender spielt man das schöne Lied „In einem kühlen Grunde“. Auf der einen Seite verbietet man von der Heimat zu reden, auf der anderen erinnert man mit diesen Liedern immer wieder daran.
© Peter Bahl, Belastung und Bereicherung, Vertriebenenintegration in Brandenburg ab 1945, Berliner Wissenschaftsverlag 2020
@ZgV
24, 50 und 20 Pfennig Briefmarken der DDR zum Görlitzer Abkommen über die Oder-Neiße-Grenze von 1950
Die beiden ersten Briefmarken datieren auf das Jahr 1951. Wilhelm Pieck, Präsident der DDR und der Staatspräsident der Volksrepublik Polen, Bolesław Bierut, reichen sich symbolisch über der Oder-Neiße-Grenze die Hände. 20 Jahre später erinnerte die DDR an das Ereignis mit einer weiteren Briefmarke. Die Briefmarke zeigt die beiden Länderfahnen und die jeweiligen Staatssymbole: den polnischen Adler und Hammer und Zirkel der DDR.
Still, der Staat hört mit!
Vertriebene im Visier des MfS
Die Eingliederung der Vertriebenen in der DDR wurde 1950 offiziell als erfolgreich beendet erklärt. Für die Regierung in Ost-Berlin waren die Vertriebenen aber weiterhin vor allem ein sicherheitspolitisches Problem. Die Beziehungen zur Sowjetunion und den Bruderländern Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei sowie der innenpolitische Kurs der sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft sollten nicht gefährdet werden. Die Vertriebenen standen unter strenger Beobachtung durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS).
Obwohl ab 1950 von offiziellen Behörden der DDR keine gesonderten Statistiken über die Heimatvertriebenen geführt wurden, erstellte das MfS auf Kreisebene noch bis Ende des Jahrzehnts eigene "Umsiedlerstatistiken" und observierte die Vertriebenen bis in die 1980er Jahre.
Der DDR-Staat war vor allem daran interessiert, ob es unter den "Umsiedlern" illegale Formen von Vereinigungen oder kritische Stimmen gegenüber der SED-Politik gab. Auch Kontakte zu Vertriebenen und deren Organisationen in der Bundesrepublik standen im Fokus der Überwachung. Pro Bezirk verfügte das MfS Anfang der 1960er Jahre über rund 300 inoffizielle Mitarbeiter (IM), die selbst Flüchtlinge oder Vertriebene waren. Sie versorgten das Ministerium mit Informationen aus den Familien und Bekanntenkreisen der Vertriebenen.
Das MfS observierte durch Spitzel auch die Vertriebenentreffen in der Bundesrepublik. Vertriebene, die aus der DDR geflohen waren und an solchen Veranstaltungen teilnahmen, wurden registriert. Ihr Kontakt zu Freunden und Verwandten in der DDR sollte unterbunden werden.
Die politischen Repressionen des Regimes zeigten Wirkung. 1965 stellte das MfS fest, dass von den "Umsiedlern" in der DDR keine politische Gefahr ausgehe. Kontakte zu westdeutschen Landsmannschaften bestanden nur vereinzelt bei Angehörigen der älteren Generation. Dennoch gelang es der SED und der Stasi nie, die Erinnerungen in den Familien auszulöschen. Noch in den 1980er Jahren gab es illegale Treffen von Vertriebenen in verschieden Orten der DDR, die von der Stasi dokumentiert wurden.
Gesetz über die Bildung eines Ministeriums für Staatssicherheit
§ 1
Die bisher dem Ministerium des Innern unterstellte Hauptverwaltung zum Schutze der Volkswirtschaft wird zu einem selbstständigen Ministerium für Staatssicherheit umgebildet. Das Gesetz vom 7. Oktober 1949 über die Provisorische Regierung der Deutschen Demokratischen Republik (GBl. S. 2) wird entsprechend geändert.
§ 2
Dieses Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.
Berlin, den 8. Februar 1950
Das vorstehende, vom Präsidenten der Provisorischen Volkskammer unter dem 10. Februar 1950 ausgefertigte Gesetz wird hiermit verkündet.
Berlin, den 18. Februar 1950
Der Präsident der Deutschen Demokratischen Republik
W. Pieck
Aus dem kurzen Gesetzestext war nicht zu entnehmen, welche Befugnisse und welche Stellung das neue Ministerium im SED-Staat hatte. Die im § 1 genannte Hauptverwaltung zum Schutze der Volkswirtschaft ging aus der K5 (Kriminalpolizei 5) hervor, der die geheimdienstlichen und nachrichtendienstlichen Angelegenheiten oblagen, also auch alle politisch motivierten Tatbestände.
Ministerium für Staatssicherheit
Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), bekannt unter dem Kurzwort Stasi, war in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) Nachrichtendienst und Geheimpolizei zugleich und fungierte als Regierungsinstrument der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Das MfS wurde 1950 nach sowjetischem Vorbild gegründet und entwickelte sich zu einem weitverzweigten, personalstarken Überwachungs- und Repressionsapparat, dem im Jahr 1989 etwa 91.000 hauptamtliche Mitarbeiter und zwischen 110.000 und 189.000 inoffizielle Mitarbeiter (IM) angehörten. Aus der DDR-Bevölkerung gerieten Menschen ins Visier des MfS, wenn Verdacht auf politischen Widerstand gegen die SED, Spionage oder Republikflucht bestand. Methodisch setzte das MfS dabei als Mittel Observation, Einschüchterung, Inhaftierung sowie die sogenannte Zersetzung gegen Oppositionelle und Regimekritiker ein. In den 1950er Jahren wurde in Stasi-Gefängnissen noch physische Folter angewandt, später wurde mit ausgeklügelten psychologischen Methoden gearbeitet.
Bericht über eine polizeiliche Beobachtung eines ostpreußischen Vertriebenen in der Ostprignitz vom 1. November 1950
Nachstehend erhalten Sie eine Charakteristik über Dr. med. Rosenfeld. Dr. med. Max Rosenfeld ist am 28. August 1869 in Petrikau, Kreis Labiau, geboren. Sein erlernter Beruf ist Arzt, den er auch ausübt. Seit dem 3. Mai 1949 wohnt er in Groß Pankow, Kr. Ostprignitz. Er ist dort als leitender Arzt im Kinderkurhaus tätig. Er lebt äußerst zurückgezogen vom öffentlichen Leben. In den Wochen vor der Oktober-Wahl zeigte das Kurhaus keinen Hinweis auf die Bedeutung der Wahl und auch keine Losung der Nationalen Front. In der Wahlkampagne sind der Arzt sowie seine Schwestern, es sind alles Diakonissen- und Bibelschwestern, trotz Aufforderung durch den Bürgermeister, nicht ein einziges mal zu einer Wahlversammlung erschienen. Dies zeigt seine ablehnende Haltung gegenüber der heutigen Gesellschaftsordnung. Vor längerer Zeit wurde dem Bürgermeister von Groß Pankow ein Brief ohne Absender zugesandt, der auf größere Missstände im Krankenhaus hinweist. Daraus wurde entnommen, dass Krankenschwestern im Krankenhaus den Auftrag haben, die dort zu behandelnden Kinder streng religiös zu erziehen. Kirchliche Lieder sind an der Tagesordnung. Schwestern, die nicht damit einverstanden sind, wagen sich nicht zu äußern, da ihnen sonst mit der Entlassung gedroht wird. Dieser Brief wurde der örtlichen Stelle des MfS übergeben. Der Vater des Dr. R. ist in Angerburg verstorben, seine Mutter lebt jetzt noch in Nordenburg, Kr. Angerburg.
© Peter Bahl, Belastung und Bereicherung, Vertriebenenintegration in Brandenburg ab 1945, Berliner Wissenschaftsverlag 2020
Entwicklung der Zahl der Mitarbeiter im Staatssicherheitsdienst
1949 beschäftigte die "Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft", der Vorläufer des MfS, 1.150 hauptamtliche Mitarbeiter. 1950 verfügte das MfS bereits über 2.700, 1961 über 23.525, 1976 über 62.868, 1989 über knapp 100.000 offizielle Mitarbeiter und zwischen 100.000 und 200.000 inoffizielle Mitarbeiter.
Polizeibericht über ein Landsberger Vertriebenentreffen bei Havelberg vom 1. Juni 1951
Am 20.5.1951 um 13.00 Uhr erhielt der VP Wachtmeister Liebsch von dem 3. VP.-Revier Posten Havelberg, durch seine Mutter, welche aus der Nähe von Landsberg stammt, die Mitteilung, dass am 20. Mai 1951 um 14.00 Uhr in Müggenbusch, ungefähr 2 km von Havelberg entfernt, eine Zusammenkunft der Landsberger Heimatvertriebenen stattfinden sollte. Der Leiter des Gr.-P. Havelberg setzte sich daraufhin mit der örtlichen Parteileitung der SED in Verbindung, um die Zusammenkunft vom zivilen Sektor überwachen zu lassen. Der eingesetzte Vertrauensmann gab folgenden Bericht: Ungefähr um 16.00 Uhr bemerkte ich, dass die im Ausflugslokal Müggenbusch im Freien sitzenden Personen die Tische zusammenrückten und sich dadurch der Charakter einer geplanten Zusammenkunft herausstellte. Ich stellte fest, dass ungefähr 22 Personen zusammengekommen waren. Eine Frau, die die Begrüßungsansprache hielt, war als Verantwortliche für die Zusammenkunft anzusprechen. Weiterhin bemerkte ich, dass ein Schreiben DIN A 4 herumgereicht wurde, das alle Teilnehmer der Zusammenkunft unterschrieben. Darüber hinaus stellte ich fest, dass sich unter den Anwesenden ein Parteigenosse aus Havelberg, namens B., befand. Daraufhin nahm ich mit dem Parteisekretär aus Havelberg Rücksprache und bat ihn, um nähere Einzelheiten der Zusammenkunft herauszustellen, einmal vorsichtig den B. anzusprechen. Dadurch gelang es den Namen der Frau, die die Leitung der Zusammenkunft hatte, zu erfahren.
© Peter Bahl, Belastung und Bereicherung, Vertriebenenintegration in Brandenburg ab 1945, Berliner Wissenschaftsverlag 2020
Inoffizieller Mitarbeiter
Ein Inoffizieller Mitarbeiter (IM), bis 1968 Geheimer Informator (GI), war in der DDR die MfS-interne Bezeichnung für eine Person, die dem Ministerium für Staatssicherheit verdeckt Informationen lieferte oder auf Ereignisse oder Personen steuernd Einfluss nahm, ohne formal für diese Behörde zu arbeiten. Mit seinen zuletzt bis zu 189.000 Angehörigen deckte das Netz aus inoffiziellen Mitarbeitern nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche der DDR ab und bildete somit eines der wichtigsten Herrschaftsinstrumente und Stütze der SED-Diktatur.
Polizeibericht über brandenburgische Teilnehmer eines Vertriebenentreffens in Berlin-Zehlendorf am 21. April 1952
Lt. Mitteilung des VPKA Seelow wurde am 21. April 1952 von dem VP.-Meister D. im Triebwagen der Kleinbahn Fürstenwalde-Seelow, folgende Feststellung gemacht: Im Wagen war zwischen einigen Fahrgästen ein Gespräch im Gange, aus welchem hervorging, dass sie am Sonnabend, den 19. April 1952 und Sonntag, den 20. April 1952 an einem Treffen ehemaliger Umsiedler teil- genommen hatten. Dieses Treffen fand in Berlin-Zehlendorf (amerikanischer Sektor) statt. Aus diesem Gespräch ging hervor, dass sie im nächsten Jahr wieder in ihre alte Heimat zurückkehren konnten. Bei den Leuten handelt es sich um ungefähr 10 Personen, die teils in Dolgelin und teils in Arensdorf wohnhaft sind. An dem Treffen sollen insgesamt 300 Personen teilgenommen haben.
© Peter Bahl, Belastung und Bereicherung, Vertriebenenintegration in Brandenburg ab 1945, Berliner Wissenschaftsverlag 2020
Info
In den jeweiligen Dokumentationen über Aktivitäten der Staatssicherheit finden sich auch Vertriebene, die ins Visier des MfS gerieten oder für den SED-Staat arbeiteten.
Die Dokumentationen können unter folgenden Links abgerufen werden
BundesarchivBrandenburgMecklenburg-VorpommernSachsenSachsen-AnhaltThüringen
Gebt uns Ware wie im Westen, denn wir wissen es am besten, was es dort zu essen gibt.
Lügt nur weiter, ihr Betrüger,
eines Tages werd` ihr Schieber doch vor eurem Richter stehen. Rote Fahne sei verflucht,
du hast uns mit deinem Schmus, Hunger, Elend, Tod gebracht.
Ausgeraubt mit Schimpf und Schande trieben sie uns aus dem Lande
in das Sowjet-Paradies.
Grünberg, Moltmann und Konsorten,
Ihr fresst Fleisch und süße Torten in der Elendsdiktatur.
Text auf einem Plakat, das von Unbekannten in der Schweriner Innenstadt im Sommer 1948 aufgehängt worden war. Die Urheberschaft vermutete man bei den Vertriebenen.
© Mirjam Seils, Die fremde Hälfte, Aufnahme und Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen in Mecklenburg nach 1945, Thomas Helms Verlag, Schwerin 2012
Historische Einordnung
Egal, ob es der Wunsch nach Rückkehr, das Singen der Heimatlieder oder die Forderung nach Revidierung der Oder-Neiße-Grenze war, alle Formen von Erinnerung an Vertreibung und an die einstige Heimat, die von der offiziellen Seite der Linie der SED abwichen, wurden kriminalisiert. Trotzdem schafften es Vertriebene immer wieder, die Verbote zu umgehen, indem sie sich z.B. formelle Vereinsstrukturen als Chor oder Skatclub gaben oder sich zufällig in Gaststätten oder im Zoo trafen. Die Staatssicherheit konnte dies vielfach nicht verhindern, da die Zahl ihrer Mitarbeiter und Informanten in den 1950er Jahren für eine flächendeckende Kontrolle nicht ausreichte. Wo dem MfS aber der Zugriff gelang, hatten die Betroffenen erhebliche Repressionen zu fürchten.
© Mirjam Seils, Die fremde Hälfte, Aufnahme und Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen in Mecklenburg nach 1945, Thomas Helms Verlag, Schwerin 2012
Roland Bude, geb. 1926 im Sudetenland, geriet als Student der Rostocker Universität 1948/1949 ins Visier der Staatssicherheit und wurde vom Sowjetischen Militärtribunal in Schwerin zu zwei Mal 25 Jahren Haft verurteilt und nach Workuta deportiert.
Das nächste war „Antisowjethetze“, da fanden die bei mir eine Zeitung der Westberliner Zeitung „Der Kurier“, von der hielt ich was. Auf der ersten Seite stand „Sowjet-U-Boote vor Australien“. Die Tatsache, dass ich das besessen habe, war das Indiz, dass ich „Antisowjethetze“ betreibe. Und illegale Gruppenbildung, ja, mit den zwei anderen, die kannten mich. Wir kannten einander. Wir wurden mal befragt bei der Gegenüberstellung, „Kennen Sie den?“ „ Ja, natürlich kannten wir einander.“ „Aha! Gruppe! Illegale Gruppenbildung.“ So einfach war das.
In einem 2018 für das ZgV aufgenommenen Interview berichtet er über seine Verhaftung und die Zeit im Arbeitslager Workuta
Das im Jahre 2023 aufgenommene Interview kann über den Button abgerufen werden
Dr. Edith Kiesewetter-Giese, geb. 1935 in Neu Titschein, Sudetenland berichtet
Als dann die Wende war, wollte ich meine Akte einsehen. Also habe ich meine Akte eingesehen. Unser bester Freund war unser Spitzel. Dagegen waren sie gar nicht gefeit. Nie im Leben hätte ich gedacht […] wir haben ja frei mit dem gesprochen. Wir haben uns besucht und wir sind zusammen ins Konzert gegangen. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass der Mann uns bespitzelt. Was ich nicht so gut fand - ich habe das erlebt - mein Kind kommt eines Tages aus dem Kindergarten nach Hause und sagt: „Was haben wir denn eigentlich für einen Sandmann?“ Ich sage: „Du siehst das doch jeden Abend.“ „Na ja, ich wusste heute nicht, ob der Punkte oder Striche hat.“ Und da wusste ich – das ist das, was schlimm war in der DDR – die haben die kleinen Kinder gefragt, ob der Sandmann auf der Uhr Punkte hat oder Striche. Der Sandmann der DDR hatte Punkte. Und der Sandmann, der in der Bundesrepublik hatte Striche in der Uhr, die Sekunden. So haben die, und das ist natürlich, was man der DDR vorwerfen muss, schon die Allerkleinsten ausgefragt, was da zu Hause los ist. Und solche Dinge gab es halt.
Das im Jahre 2023 aufgenommene Interview kann über den Button abgerufen werden
Rübermachen!
Übersiedlung nach Westdeutschland
Nach dem Trauma von Flucht und Vertreibung erlebten die Vertriebenen in der SBZ und DDR die staatlich verordnete Tabuisierung und eine immer stärker werdende partei- politische Einflussnahme auf die Gestaltung der Lebensplanung. Viele Vertriebene konnten in den Aufnahmegebieten nie heimisch werden. Dabei spielte auch das Gefühl, nicht willkommen zu sein, eine wichtige Rolle.
Die demokratische und wirtschaftliche Entwicklung im Westen erschien vielen Bewohnern der DDR als erstrebenswerter. Als Anreiz, in die Bundesrepublik zu flüchten, mögen der bundesdeutsche Lastenausgleich und dessen gerüchteweise überhöhten Leistungen gerade für vertriebene Landwirte gegolten haben. Zwischen 1945 und dem Mauerbau 1961 flüchteten rund 2,4 Millionen Menschen über die Grenze nach Westdeutschland. Unter ihnen waren ca. 900.000 Vertriebene aus den ehemaligen Ostgebieten. Fast ein Viertel der auf dem Gebiet der SBZ und DDR angesiedelten Vertriebenen verließen so das Land bis 1961 in Richtung Bundesrepublik.
Seit der Abriegelung der westlichen Staatsgrenze der DDR zur Bundesrepublik waren Fluchten über diese Grenze mit großen Risiken verbunden. Stacheldraht, Schießbefehl und Gefängnisstrafen wegen "Republikflucht" verhinderten größere Abwanderungen. Lediglich in Berlin bestand für DDR-Bürger die Möglichkeit, die Sektorengrenzen zu übertreten und so das Land zu verlassen. Erst mit dem Bau der Berliner Mauer im August 1961 schloss sich das Tor in den Westen und die Zahl der "Republikfluchten" sank drastisch.
Erste Anlaufstellen für Flüchtlinge aus der DDR waren die Durchgangslager Berlin- Marienfelde, Uelzen-Bohldamm in der britischen und Gießen in der amerikanischen Besatzungszone. Das 1953 eingeweihte Lager Berlin-Marienfelde bot Platz für 2.000 Flüchtlinge. Am 20. September 1956 wurde der einmillionste Flüchtling im Notaufnahmelager aufgenommen.
Die Mehrheit der Vertriebenen aber blieb in der DDR und fügte sich in das sozialistische Staatsgefüge ein. Trotz der Traumata und Tabus fanden sie Mittel und Wege für einen Neuanfang und die Etablierung in der DDR. Vor allem familiäre und berufliche Gründe bewogen viele Vertriebene, nicht in den Westen zu flüchten.
Polizeibericht über Verbindungen republikflüchtiger Bessarabiendeutscher Bauern zum Vertriebenenverband der Dobrudschadeutschen vom 4. Februar 1953
Wie das VPKA Potsdam ermitteln konnte, wurden in der Zeit vom 20. bis 26. Januar 1953 folgende Kleinbauern republikflüchtig:
Sämtliche Aufgeführten waren Umsiedler aus dem Gebiet von Bessarabien und der Volksrepublik Rumänien. Bei weiteren durchgeführten Ermittlungen wurde festgestellt, dass o.a. Personen mit dem westdeutschen Umsiedler- verein „Dobrucza-Deutsche“ in Verbindung standen. Weiter wurde festgestellt, dass der Vorstand der NDPD Schmergow, Herr Knode, der Verbindungsmann zu dieser Organisation war. K. hatte Schriften der Organisation durch die Post empfangen und diese an ihm bekannte Umsiedler aus den angeführten Gebieten weitergegeben. Der Vorgang wird von der Abteilung K weiterbearbeitet.
© Peter Bahl, Belastung und Bereicherung, Vertriebenenintegration in Brandenburg ab 1945, Berliner Wissenschaftsverlag 2020
Betty Haupt erinnert sich
Inzwischen hatten wir Kontakt mit meinem Vater. Er war aus englischer Kriegsgefangenschaft entlassen und nach Oldenburg gekommen. Wir dürfen aber aus der damaligen sowjetisch besetzten Zone nicht ausreisen, mussten erst einen Ausreiseantrag stellen. Als nach fünf Monaten noch kein Bescheid kam, sind wir im Winter im Februar 1949, eines Nachts über die Grenze nach Westdeutschland (20 km) gegangen. Es wurden einige Formalitäten erledigt, und wir fuhren weiter nach Oldenburg.
© Brigitte Neary (Hg.), Frauen und Vertreibung, Zeitzeuginnen berichten, Aresverlag 2008
Gertrud Peters aus Danzig erinnert sich an die Flucht aus der SBZ in die amerikanische Zone
Am nächsten Tag, am 20. November 1946, sollte mein Grenzübergang in den Westen folgen. Etwa gegen 18.00 Uhr begaben wir uns mit unserem Gepäck zum Bahnhof Schmalkalden. Dort stellte mich Herr Doktor Hoffmann einer Gruppe von sechs Menschen vor. Gegen eine Bezahlung von 250 Reichsmark war ich akzeptiert. Getrennt voneinander bestiegen die sechs Männer und ich mit den Kindern einen kleinen Eisenbahnzug. Auf keinen Fall durften wir den Eindruck von Grenzgängern erwecken.
Nach zwei Stationen erreichten wir unseren Zielort Dorndorf. Auf Anweisung des Gruppenführers verlassen wir den Zug auf der vom Bahnsteig abgewandten Seite. Im Schutz der Dunkelheit liefen wir eiligst über die Gleise. Dort führte uns ein Pfad in den angrenzenden Wald. Die Männer schlugen ein ziemliches Tempo an. Wir waren nun ganz in der Nähe der russischen Grenzposten.
Mir taten meine kleinen Buben leid, die kaum Schritt halten konnten. Regen setzte ein, und plötzlich hustet eines meiner Kinder. Der Gefolgsmann drohte mir mit den Worten: „Wenn ihre Kinder noch einmal husten oder sprechen, lass ich sie sofort stehen und gehe alleine mit den übrigen Männern weiter.“ Ich flehte meine Kinder an, sie mögen sich noch mehr zusammennehmen. Als kurze Zeit darauf Leuchtkugeln mit lautem Getöse aufstiegen, rannten die Männer weg. Ich und die Kinder schritten durch den Wald voran und erkannten eine sich abzeichnende Lichtung. Am Waldrand erwartete uns die voraus geeilte Männergruppe. Wieder zusammen, überquerten wir daraufhin eilig die vor uns liegende Grenzstraße und liefen einen Hügel hinauf. Oben angekommen, machen wir eine längere Rast. Wir befanden uns in Westdeutschland mitten auf einem Sturzacker, der von Regen völlig aufgeweicht und glitschig war. Die Wege der Gruppe trennten sich. Mit meinen beiden Kindern begab ich mich zur nahe gelegenen Ortschaft. Es war Herringen.
© Treibgut des Krieges, Zeugnisse von Flucht und Vertreibung der Deutschen, Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. (Hg.) 2008
Einen Überblick über den Forschungsstand zu den Todesopfern des DDR-Grenzregimes ist unter den Link bei der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) abrufbar
Der Forschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität Berlin hat Biografien von Personen zusammengetragen, die in Folge von Maßnahmen des DDR-Grenzregime zu Tode gekommen sind. Darunter befinden sich auch Vertriebene. Unter diesen Link sind die Biografien abrufbar.
Die Biografie von Manfred Smolka ist in dem FU-Portal unter diesen Link direkt ansteuerbar
© gemeinfrei
Kreuz zur Erinnerung an Peter Fechter, aufgestellt am Tag nach seinem Tod
Am Freitag, dem 17. August 1962, rund ein Jahr nach dem Bau der Berliner Mauer, versuchte der 18-jährige Peter Fechter zusammen mit seinem 18-jährigen Freund, die Mauer in der Zimmerstraße in unmittelbarer Nähe des Grenzübergangs Checkpoint Charlie zu überwinden. Während sein Freund über die Mauer kletterte, wurde Fechter von mehreren Schüssen der Grenzsoldaten getroffen, fiel auf die DDR-Seite und verblutete dort. Zwischen 1961 und 1989 starben mindestens 140 Personen, die versuchten an der Berliner Mauer aus der DDR zu fliehen. Weitaus mehr Todesopfer gab es an der innerdeutschen Grenze. Eine wissenschaftliche Studie der Freien Universität Berlin ermittelte im Jahr 2012 die Opferzahl mit 327. Andere Quellen gehen von mehr als 600 Opfern aus. Unberücksichtigt sind dabei die Todesopfer, die beim Versuch über die Grenzen der europäischen Bruderländer, wie Tschechoslowakei, Ungarn und Bulgarien in den Westen zu gelangen, ihr Leben verloren.
Manfred Smolka
Ein besonders tragisches Schicksal erlitt der aus Ratibor vertriebene Manfred Smolka. Nachdem er als 14-Jähriger aus Oberschlesien mit der Familie vertrieben wurde, trat er 1948 in die SED ein, durchlief eine Ausbildung bei der Volkspolizei und wurde zur Grenzpolizei versetzt. Er wurde Politoffizier und schließlich Oberstleutnant bei der Stabskompanie der Grenzpolizeibereitschaft. Smolka widersetzte sich den politischen Vorgaben zur verschärften Grenzsicherung und flüchtete 1958 über die grüne Grenze nach Bayern. Im Sommer 1959 wollte er seine Frau und Tochter in den Westen nachholen. Dabei wurde er verraten, auf westlichem Gebiet angeschossen und von DDR-Grenzposten in die DDR verbracht. In einem Schau- prozess wurde Smolka zum Tode verurteilt und am 12. Juli 1960 in der zentralen Hinrichtungsstätte Leipzig hingerichtet. Seine Frau verbüßte eine 4-jährige Haftstrafe wegen Republikflucht und wurde über das Todesurteil nicht informiert.
Erst das Tabu, dann die Zensur
Die Vertreibung in der DDR-Literatur
Die meisten Historiker haben die Geschichte der Vertriebenen in der SBZ und DDR nur bis Anfang der 1950er Jahre verfolgen können. Danach griff das politisch verordnete Tabu. Die Historikerin Heike Amos hat im Rahmen ihrer Forschungsschwerpunkte zur DDR- und SED-Geschichte 1945/49 bis 1990 auch die Rolle der "Umsiedler" in der DDR-Literatur untersucht und festgestellt, dass in allen Dekaden Prosa, Lyrik und Theaterstücke erschienen sind, die sich mit der Thematik auseinandergesetzt haben. Das Tabu wurde also immer wieder gebrochen. Allerdings hatten die Texte häufig nur die mehr oder weniger gelungene Eingliederung der "Umsiedler" in der SBZ und DDR zum Inhalt, seltener das Leben in der alten Heimat oder die Brutalität des Vertreibungsgeschehens selbst. Einen Überblick über die Literatur zum Thema Vertriebene in der DDR bietet der Beitrag von Heike Amos "Der Umsiedler-Diskurs in der DDR in Staat, Kultur und Gesellschaft 1949-1989" in der Publikation "Vertriebene in SBZ und DDR". Eine umfangreiche Vorstellung und Besprechung ausgewählter DDR-Schriftsteller und ostdeutscher Autoren bietet auch die 1995 herausgegebene Sonderedition zum Thema "Literatur in Mitteldeutschland 1945-1995 im Rahmen der Kulturpolitischen Korrespondenz".
Gelegentlich wurde die Vertreibung auch im DDR-Fernsehen thematisiert, so etwa in dem aufwändigen Mehrteiler "Wege übers Land" (1968). Im Zentrum der Geschichte steht die "Umsiedlerin" Gertrud Habersaat. Sie wird von Ursula Karusseit verkörpert, die selbst aus Ostpreußen stammte. Im Film werden der Zweite Weltkrieg, die Vertreibung und die Neuansiedlung in der SBZ und DDR bis 1953 dargestellt. Der Fernsehfilm zählt heute zu den Klassikern des DDR-Fernsehens. Die Schauspielelite der DDR wie Armin Mueller-Stahl (geboren 1930 in Tilsit, Ostpreußen), Manfred Krug und Angelica Domröse zählen zu den Hauptdarstellern.
Heiner Müller sagte zu seinem Stück „Die Umsiedlerin“ 1985
Die Umsiedlerin ist für mich immer noch mein bestes Stück, also das, was ich am meisten mag, weil es am unmittelbarsten mit dem Geschichtsprozess zu tun hat, der mich interessiert hat und auch noch interessiert. Er war damals noch darstellbar in einer beinahe Shakespeareschen Weise.
© B. K. Tragelehn, 13 x Heiner Müller, Verlag Theater der Zeit, 2016
© AdK, Berlin, B.K. Tragelehn-Archiv, Sign. 227
Die Uraufführung des Theaterstücks „Die Umsiedlerin“ fand am 30. September 1961 in der FDJ-Studentenbühne der Hochschule für Ökonomie, Berlin-Karlshorst, statt
B. K. Tragelehn zur Lage nach der Premiere:
„In der Nacht nach der Premiere begann die Lawine zu rollen. Die Darsteller mussten in Klausur Stellungnahmen verfassen. Es gab Exmatrikulationen und andere Strafen. Was M. und T. (Müller und Tragelehn) anlangt, war der erste Auftrag an die Staatssicherheit: ‚Beobachtung mit dem Ziel der Verhaftung‘. Die FDJ war besonders bösartig, ein Angstbeißer, denn sie war für die Veranstaltung direkt verantwortlich gewesen. Aber nach dem Mauerbau hat sie Antennen fürs Westfernsehen von den Dächern gerissen statt zu kontrollieren. Entschieden aber wurde in Moskau. […] Sein Bescheid war: ‚Für Ideologie wird nicht mehr verhaftet.‘
M. wurde aus dem deutschen Schriftstellerverband ausgeschlossen, T. wurde aus der SED ausgeschlossen und vom Theater in Senftenberg, wo er gerade ein Engagement angetreten hatte, fristlos entlassen. Im Winter 1961 / 1962 arbeitete er zu Erziehung durch die Arbeiterklasse als Kipper und Bandwärter im Tagebau Klettwitz in der Lausitz. Erst nach zwei Jahren konnte M. wieder publizieren und T. konnte wieder inszenieren.“
© B. K. Tragelehn, 13 x Heiner Müller, Verlag Theater der Zeit, 2016
Ein Bericht des Regisseurs B. K. Tragelehn über die Uraufführung des Theaterstücks
Dauer: 1:00 Minute
© MDR-Fernsehen vom 4. Februar 2022
Hanns Cibulka
* 20. September 1920 in Jägerndorf, Sudetenland, † 20. Juni 2004 in Gotha
Hanns Cibulka wurde im mährisch-schlesischen Jägerndorf geboren und wuchs dort auf. Er erlernte zunächst den Beruf des Handelskaufmanns. Mit 19 Jahren wurde er zur Wehrmacht eingezogen und konnte nach dem Krieg nicht mehr in seine Heimat zurückkehren. In Thüringen fand er seine Eltern und ab 1949 studierte er in Ost-Berlin an der Bibliotheksschule. Von 1953 bis 1985 leitete er die Heinrich-Heine-Bibliothek in Gotha. Hanns Cibulka zählt zu den unabhängigen, kritischen Geistern unter den DDR-Autoren, die von dauerhaftem gesamtdeutschen Interesse bleiben. Er veröffentlichte insbesondere Lyrik und Tagebuchprosa. Über die verlorene Heimat seiner Kindheit hat er erst nach 1989 ausführlicher schreiben können („Am Brückenwehr“, 1994). In einem seiner Bücher findet sich die Aussage: „Wer sich nicht mehr erinnert, hat weder Gegenwart noch Zukunft.“
Johannes Bobrowski
* 9. April 1917 in Tilsit, Ostpreußen, † 2. September 1965 in Ost-Berlin
Bobrowski schrieb Anfang der 1960er Jahre Lyrik und Erzählungen, die seine tiefe Heimatliebe zum Ausdruck brachten. Er thematisiert in den Romanen „Levins Mühle“ (1964) und „Litauische Claviere“ (postum 1966 veröffentlicht) das häufig schwierige Zusammenleben von Deutschen, Polen, Litauern, Russen und Juden in seiner Heimat. „Levins Mühle“ ist im Jahre 1874 in Westpreußen angesiedelt, die „Litauischen Claviere“ 1936 im litauischdeutschen Memelgebiet. Über Flucht und Vertreibung hat Bobrowski nicht geschrieben.
Armin Müller
* 25. Oktober 1928 in Schweidnitz, Niederschlesien, † 6. Februar 2005 in Jena
Müller kam 1945 als Vertriebener nach Weimar. Er war Mitglied in Jugendorganisationen der DDR, journalistisch tätig und begann als Lyriker seine schriftstellerische Laufbahn. Sein Zyklus „Reise nach S.“ befasste sich mit den Orten seiner Kindheit in Schweidnitz, Schlesien, aber auch mit den Menschen, die jetzt dort wohnten.
Zu seinem 1986 erschienenen Roman „Der Puppenkönig und ich“ sagte er in einem Interview 1995: „1945 war ich so alt wie der Ich-Erzähler im Roman, ich bin wie er aus der Gefangenschaft geflohen. Dennoch ist der eine mit dem anderen nur insofern identisch, als beide den Verlust ihrer Heimat mit demselben Schmerz erlebt haben. Also: im Roman finden Tatsächliches und Fiktives zusammen, kreuzen sich Fantasie und Wirklichkeit.
Sie werden sagen, mehr oder weniger träfe das auf alles zu, was ein Schriftsteller schreibe. Ich will deshalb noch etwas hinzufügen und gestehen, dass es mir bei der Arbeit an diesem Buch anders erging als bei all den anderen Büchern zuvor. Der Prozess war viel intensiver. Ich erlebte die Zeit von damals noch einmal, psychisch und physisch, und wusste am Ende nicht mehr zwischen den beiden Ichs zu unterscheiden, zwischen dem, der da durch die Wälder des Romans zog, und dem, der das alles auf weiße Blätter schrieb.“
© Kulturpolitische Korrespondenz, Nummer 63/95, Herausgeber: Stiftung Ostdeutscher Kulturrat
© Bundesarchiv, Bild 183-1989-1104-047 / Link, Hubert
Heiner Müller
9. Januar 1929 in Eppendorf, Sachsen, † 30. Dezember 1995 in Berlin
Der wohl bedeutendste Dramatiker der DDR, Heiner Müller, nahm in seinem im September 1961 uraufgeführten Theaterstück „Die Umsiedlerin oder das Leben auf dem Lande“ Motive aus der Erzählung von Anna Seghers auf. Die realistische Darstellung der Verhältnisse missfiel der SED – nach einer „Versuchsaufführung“ 1961 wurde das Stück als „staatsfeindlich“ verboten. Müller wurde aus dem Schriftstellerverband der DDR, Regisseur B. K. Tragelehn aus der Partei ausgeschlossen. 1964 überarbeitete Müller den Text und gab ihm den Titel „Die Bauern“. Erst 1976 konnte das Stück in der DDR wieder aufgeführt werden. 1985 kam es zu einer Neuinszenierung am Schauspiel Dresden und zu Gastspielen in Westdeutschland.
© gemeinfrei
Christoph Hein
* 8. April 1944 in Heinzendorf, Oberschlesien
Christoph Hein galt bereits zu DDR-Zeiten als wichtiger Schriftsteller und Essayist. Hein setzt sich in seinen Werken intensiv mit Heimat und Heimatverlust, mit Vertreibung und der Suche nach einer neuen Heimat auseinander. In einem Interview der Märkischen Zeitung (MZ) aus dem Jahre 2004 äußerte sich Hein zum Thema Vertriebene und Heimatverlust und antwortete auf die Frage, ob er sich als Vertriebener begreife mit folgenden Worten: „In einer gewissen Weise überhaupt nicht, weil ich die Landschaft meiner Geburt nicht kennengelernt habe und bis heute nicht kenne. In einer anderen Weise schon, weil ich so etwas wie Heimat in Deutschland nicht habe.“ Nach der Präsenz des „Heimatverlustes im Hause Hein“ gefragt, gibt er zur Antwort: „Meine Eltern sind Uralt-Schlesier, denen ihre Heimat sehr viel bedeutete. Sie haben sich Literatur und Schallplatten in schlesischer Mundart aus Westdeutschland besorgt, im Osten gab es so etwas nicht. Mein Vater, der Pfarrer war, stammt aus einer Familie, die über mehrere Generationen Pastoren in Schlesien stellte. Es kamen Leute aus der alten Heimat zu uns, nur um meinen Vater zu sehen.“
Das Interview ist abrufbar unter diesem Button
© MZ 19. März 2004
Werner Heiduczek
24. November 1926 in Hindenburg, Oberschlesien, † 28. Juli 2019 in Zwenkau
Heiduczek veröffentlichte 1968 den Roman „Abschied von den Engeln“, der vom Schicksal der oberschlesischen Geschwister Marula aus dem katholischen Bergbaumilieu nach der Vertreibung aus Schlesien erzählt. Das Verhalten der Geschwister steht repräsentativ für die unterschiedlichen Entwicklungen und Entscheidungen in beiden deutschen Staaten. Das Buch „Tod am Meer“ erschien 1977. Der Protagonist reflektiert seine oberschlesische Kindheit, Jugend, Flucht und sein anfängliches Leben im SED- Staat. Ein schonungsloser, unverfälschter Blick auf einige Momente der Zeitgeschichte – die Vergewaltigungen durch russische Soldaten, die totalitären Methoden der SED, die rasche Desillusionierung beim Aufbau des Sozialismus. Die Erstauflage des Buches wurde zwar nicht verboten, aber weitere Auflagen sind nicht erschienen.
© Bundesarchiv, Bild 183-F0114-0204-004 / Spremberg, Joachim
Anna Seghers
19. November 1900 in Mainz, † 1. Juni 1983 in Ost-Berlin
Die Präsidentin des Schriftstellerverbandes der DDR – auch im Westen geachtet – publizierte 1950/53 einen Zyklus von sechs Novellen, der den Titel „Friedens- erzählungen“ trug. Vier Geschichten, darunter „Die Umsiedlerin“, hatten die Vertreibung zum Thema. In der Geschichte „Der Kesselflicker“ heißt es:
„Franz Bandusch, der Kesselflicker […] hat außer dem Bein auch seine Heimat verloren. Er besaß vor dem Krieg eine Klempnerei in Schlesien.“ Die eingehende literarische Bearbeitung des Themas ist insofern bemerkenswert, da die DDR-Führung zu dem Zeitpunkt die Vertriebenenproblematik aus dem öffentlichen Bewusstsein drängte.
Ursula Höntsch-Harendt
12. September 1934 in Frankenstein, Niederschlesien, † 29. Februar 2000 in Berlin
Höntsch-Harendt publizierte 1985 den Roman „Wir Flüchtlingskinder“. Das Buch setzt sich bereits im Titel über den offiziellen „Umsiedler“-Topos hinweg. Im Roman selbst kommen zudem ältere Vertriebene mit Positionen zu Wort, die im krassen Gegensatz zu den Sprachregelungen der SED-Geschichtspolitik stehen:
„Deutschland hat den Krieg angezettelt […]. Und man verstünde, wenn die Besatzungsmächte auf Jahrzehnte in Deutschland blieben, […] aber den Verlust eines ganzen Viertels deutschen Bodens, nein, den könne man nicht verstehen. Man kann doch nicht plötzlich so tun, als seien diese Gebiete nur mal so vorübergehend deutsch gewesen.“
In einem Interview mit Dr. Jörg Bilke im Jahre 1995 sprach die Schriftstellerin über die Schwierigkeiten in der DDR über Flucht und Vertreibung zu schreiben. „Wie Sie wissen, sprach man in der Geschichtsschreibung, in den Medien, nur von ‚Umsiedlern‘. Im Grunde war die gesamte Thematik in der Öffentlichkeit tabuisiert. Und in dieses Tabu wollte ich hineinstoßen, wollte ein völlig verdrängtes, nie aufgearbeitetes Thema – auch nicht in der Literatur – zur Sprache bringen, es öffentlich machen. Ich wusste von Anfang an, dass ich dies nur sehr behutsam tun konnte, wollte ich nicht die Obrigkeit, deren ‚Empfindlichkeit‘ ich ziemlich genau kannte, verärgern – sehr einfach ausgedrückt. So schrieb ich immer mit dem Zensor in mir und der kann dann mitunter schlimmer sein als der äußere. Doch ist es nicht so, dass man unter Zensur – der äußeren wie der inneren – nicht schreiben könnte. Manchmal mag sie lähmen und einen anderen wütend machen und Widerstand in ihm erzeugen. Zorn, Wut, Widerstand können durchaus zu Produktivität führen, bei mir war es jedenfalls so.“
© Kulturpolitische Korrespondenz, Nummer 63/95, Herausgeber: Stiftung Ostdeutscher Kulturrat
© Bundesarchiv, Bild 183-B0509-0010-005 / Eckleben, Irene
Christa Wolf
18. März 1929 in Landsberg an der Warthe, † 1. Dezember 2011 in Berlin
Aus der Feder der international angesehenen Schriftstellerin stammt der bekannteste DDR-Roman zum Thema Vertreibung: „Kindheitsmuster“. Er entstand 1975, nachdem Wolf 1971 ihren Geburtsort Landsberg an der Warthe besucht hatte. Der Roman hat drei Zeitebenen: die NS-Diktatur, die Flucht und Vertreibung und den Besuch in der alten Heimat. Sie beschreibt dort u.a. auch die Vergewaltigungen deutscher Frauen durch Soldaten der Roten Armee, ein Thema, das zum Zeitpunkt der Erscheinung des Buches zu den Tabus der DDR gehörte.
Sind wir noch da?
Die Vertriebenen in den späteren Jahrzehnten der DDR
Anfang der 1950er Jahre verschwanden die Vertriebenen aus den Statistiken der DDR. Daher ist es schwierig, allgemeine Aussagen speziell über das Leben der Vertriebenen danach zu treffen. Nach außen verschmolzen sie mit der einheimischen Gesellschaft, gingen ihrer Arbeit nach und versuchten, im sozialistischen Staat ein zufriedenes Leben zu finden. Sie unterlagen den gleichen politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wie die alteingesessene Bevölkerung. Eine Gleichstellung war angestrebt, doch viele konnten die erzwungene Verleumdung der eigenen Wurzeln nicht überwinden und sehnten sich nach einer offenen Herangehensweise an das Thema.
Über Jahrzehnte diffamierte die Ost-Berliner Regierung die Vertriebenenorganisationen in der Bundesrepublik als angebliche Kriegshetzer, die eine Revision der Nachkriegsordnung anstrebten und auch vor einem dritten Weltkrieg nicht zurückschreckten. Gleichzeitig verbreitete sie die Mär, die Vertriebenen lebten dort allesamt im Elend. Als Indiz dafür galt die Tatsache, dass anders als in der DDR noch Anfang der 1960er Jahre Vertriebene in Westdeutschland in Lagern hausten. Dies war angesichts der Erfolge bundesdeutscher Wohnungsbaupolitik eine ausgesprochen propagandistische Perspektive. Damit versuchte die DDR-Regierung die Überlegenheit der eigenen Eingliederungsbestrebungen zu beweisen.
Aus Zeitzeugeninterviews mit Vertriebenen ist bekannt, dass in vielen Familien mit- gebrachte Traditionen in der Erlebnisgeneration überlebten. Gerichte aus der alten Heimat, z.B. die böhmische Küche der Sudetendeutschen mit Mehlspeisen wie Zwetschgen- oder Marillenknödel aus Quarkteig, Fleischgerichte wie Tafelspitz, Sauerbraten und Knoblauchsuppe, wurden weiterhin gekocht. Die Schlesier brachten u.a. die Rezepte für „Brassler Blookraut" (Breslauer Rotkohl) und in der Weihnachtszeit „Mohnklöße" und „Liegnitzer Bomben" von daheim mit, die Ostpreußen „Königsberger Klopse" und „Keilchen", eine Mischung aus Kartoffeln und Schweinebauch. Die pommersche Küche umfasste zahlreiche Fischgerichte wie den „Bismarckhering", der in der DDR allerdings „Delikatesshering" heißen musste, da Bismarck politisch nicht gelitten war. An Weihnachten wurde in vielen Familien Gans serviert, in anderen Karpfen. Wie lange die Zubereitung typischer Speisen, besonders an Feiertagen, tradiert wurde, ist individuell verschieden. „Meine Großmutter kochte Gerichte aus der Heimat", sagten viele Nachkommen von Vertriebenen, man selbst tat dies aber nicht mehr. Auch das Singen von Heimatliedern verschwand mit der älteren Generation.
In den Wohnungen hingen zuweilen Bilder von Wahrzeichen der zurück gesehnten Vergangenheit. Das Tragen von Tracht spielte ab den 1950er Jahren keine Rolle mehr.
Der Fokus der jüngeren Generation der Vertriebenen lag auf der Gegenwart und Zukunft, nicht auf der Vergangenheit. Vielen Vertriebenen der jungen Generation gelang mit der Anpassung an die politischen Rahmenbedingungen zumindest nach außen auch die Verdrängung der familiären Traumata. Eine Hinterfragung der Geschichte passte nicht in die Zeit und das System. Durch Bildung und angepasstes Verhalten konnten Vertriebene beruflich aufsteigen und in vielen Bereichen Spitzenpositionen einnehmen. Im Nachhinein betrachten die Vertriebenen ihre Lebenssituation sehr unterschiedlich.
Eva-Maria Bette, geb. 1933 in Wobesde, Pommern erinnert sich an Buttermilchkartoffeln und Wruken
Ja, gab es schon, das kennt hier gar keiner, Buttermilchkartoffeln. Das war nicht wie eine Kartoffelsuppe, wurde mit Buttermilch angerührt und viel Speck und Zwiebel eingebraten und Würstchen.
Das im Jahre 2023 aufgenommene Interview kann über den Button abgerufen werden
Dr. Edith Kiesewetter-Giese, geb. 1935 in Neu Titschein, Sudetenland berichtet
Und allmählich kriegten Sie Freunde aus ihrer Heimat oder aus der Heimat von dem Mann. Und dann wusste man auch immer, wie man sich zu verhalten hat, wenn man eben Flüchtling war oder „Umsiedler“. […] Natürlich habe ich dann immer gesagt: „Ich bin kein Umsiedler – mich haben sie rausgeschmissen.“ Das habe ich dem Parteisekretär gesagt. Da konnte der auch nichts dagegen sagen, weil, es war ja so, mich haben sie ja nie umgesiedelt, mich haben sie einfach nur rausgeschmissen. Man muss ein bisschen Zivilcourage im Leben haben. Und da haben die mich in Ruhe gelassen. Ich habe eine ordentliche Arbeit gemacht, ich wurde mit der Arbeit geschätzt und dann hat man das sozusagen als böses Beiwerk geduldet.
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Heinrich Olschowsky zog nach 1990 eine bittere Bilanz
Allen schmerzlichen Streitfragen wich man mit der Floskel vom proletarischen Internationalismus aus. Die bloße Erwähnung der ehemaligen deutschen Ostgebiete als eines Verlustes stand unter Revisionismusverdacht, wurde als Hetze gegen den Frieden kriminalisiert.
© Peter Bahl, Belastung und Bereicherung, Vertriebenenintegration in Brandenburg ab 1945, Berliner Wissenschaftsverlag 2020
Rudolf Peters, geb. 1940 erinnert sich
Also intern, wenn wir zusammen waren, wurde über alles gesprochen. Da gab es kein Tabu. Aber nach außen, das hat man schon gemerkt, […] ich möchte sagen, das war wie eine Falle, wie eine Sperre, da war einem der Mund versperrt, man konnte dann gar nichts sagen. Weil, wenn jemand etwas gesagt hat, dann gab es sofort eins drauf. Also wir haben nicht gewagt, nach außen hin viel von der Flucht oder Vertreibung oder so zu sprechen, in keiner Weise. Das, was ich jetzt gemacht hab, diese Flucht, den Fluchtweg aufzuzeigen. […] Das hätte man zu DDR-Zeiten nicht machen können, höchstens versteckt, intern.
© Uta Brettschneider, Neue Heimat Thüringen? Flüchtlinge und Vertriebenen um 1945
Historische Einordnung
Die Problematik von Flucht, Vertreibung und Heimatverlust war und blieb in den kontrollierten Medien und der Öffentlichkeit der DDR ein Randthema. Das staatliche Verschweigen, Verdrängen und Tabuisieren zeigte Wirkung. Die repressive polizeistaatliche Grundhaltung der SED-Führung gegenüber den Selbstorganisationsbemühungen und Kommunikationsprozessen der „ehemaligen Umsiedler“ war erfolgreich, jedoch nie völlig durchzusetzen.
© Heike Amos, Die Vertriebenen Politik der SED 1949-1990, München 2009
Oswald Wöhl, geb. 1941 in Neustadt an der Tafelfichte, Sudetenland berichtet
Meiner Frau Mutter, meinen Großeltern und insbesondere meiner Urgroßmutter in Feldberg, Mecklenburg und meiner Tante, die wir öfter besucht haben, habe ich es zu verdanken – die Liebe und Treue zur Heimat. Und dass sie mir sehr viel darüber vermittelt haben. Dass sie untereinander im Dialekt geredet haben, was ich mit hellen Ohren aufgenommen habe, mit Stolz gebrauche, wenn ich mit Landsleuten zusammen bin. Insbesondere bin ich meiner Frau Mutter dankbar für die wenigen Habseligkeiten, die verblieben sind; unter anderem für ein geschmiedetes Hufeisen, dessen Öffnung mit einem Herz verschlossen ist. Dieses hatte mein Vater, der Huf- und Wagenschmied Oswald Wühl geschmiedet. […] Ich habe zumindest Wissen vermittelt. Ich habe ihnen erzählt, was so üblich war. Beispielsweise das Klappern zur Osterzeit mit der Rassel. Ich habe ihnen Weihnachtsbräuche vermittelt. Sie leben sie nicht mehr so, haben sie aber – das weiß ich, sehr intensiv aufgenommen, waren sehr interessiert. Mein Sohn – der spricht nicht von Knödeln, er spricht immer von Knedlicki, weil er sie über alles liebt, Knedlicki und Gulasch. Und natürlich – wie muss es sein, ein herrliches Bier dazu.
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Dokumentarfilm „Umsiedler 1945 – Versuch eines Filmischen Protokolls“
Dokumentationen über das Thema Flucht und Vertreibung oder über Einzelschicksale von Betroffenen gab es in der DDR nur wenige zu sehen. 1985 drehte der Filmemacher Thomas Grimm eine Filmdokumentation, in der er Schicksale von Vertriebenen zeigte und die Protagonisten über Flucht und Vertreibung, Ankunft und den Verlauf ihres Lebens in Thüringen berichten ließ. Doch der Film wurde zensiert und durfte nicht ausgestrahlt werden. Nach der Wende wurde der Film in gekürzter Fassung im 1993 MDR-Fernsehen gezeigt.
Der vollständige Film kann als DVD über die Internetseite www.grimmchronik.de bestellt werden.
Die Originalfassung hat eine Dauer von 108 Minuten.
Der Trailer zum Film kann über den Button abgerufen werden
Dauer: 4:59 Minuten
Wege übers Land
Mehrteiliger Fernsehfilm aus dem Jahr 1968,
6 Folgen, jeweils 60-90 Minuten
Im Film werden die Jahre in und nach dem Zweiten Weltkrieg, die Flucht und Vertreibung, die Zeit in der Sowjetischen Besatzungszone und in der späteren DDR bis 1953 thematisiert. Im Zentrum der Geschichte steht Gertrud Habersaat, die zunächst auf einem Großbauernhof im Deutschen Reich arbeitet und dann mit ihrem Mann einen enteigneten Bauernhof im eroberten Polen bewirtschaftet. Dort adoptieren sie ein jüdisches Mädchen und einen polnischen Jungen. Kurz darauf meldet sich ihr Mann freiwillig an die Front. Nach dem Krieg kehrt sie auf ihren alten Hof zurück und wird nach der Bodenreform selbst „Neubäuerin“. Eng eingebunden in die Ereignisse um den Zusammenschluss von Bauern ihres Dorfes zu Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und deren Widersacher übernimmt sie dann den Vorsitz der LPG. Nebenhandlungen zeigen den Kampf des Kommunisten Willi Heyer gegen die Nazis und die Entwicklung des Gutsbesitzers Jürgen Leßtorff
Zwei Trailer zum Film Wege übers Land können über die Buttons aufgerufen werden:
© gemeinfrei
Königsberger Klopse
Eines der bekanntesten Regionalgerichte Deutschlands sind die Königsberger Klopse. Angeblich sollen 93 % der Deutschen dieses Gericht kennen. Benannt ist es nach Ostpreußens Hauptstadt Königsberg und dem Wort „Klops“ für „kleiner Kloß“. In Königsberg selbst war die Bezeichnung nicht gebräuchlich, dort hieß das Gericht „Saure Klopse“.
Wer es nachkochen möchte, hier das Rezept: 500 g Rindfleisch, 125 g Schweinefleisch, 2 Eier, 1 eingeweichtes Brötchen, einige Sardellen, Salz und Pfeffer gut vermengen. Zuletzt mischt man noch geriebene Brötchen darunter und formt runde Klöße. Wer mag, gibt noch fein gehackte Petersilie dazu.
Für die Soße bereitet man eine Mehlschwitze aus 2 Löffel Butter und 2 Löffel Mehl und lässt es mit heißem Wasser zu einer sämigen Sauce kochen. In die Sauce gibt man noch einige Sardellen oder einen gut gewässerten Hering, ein paar entkernte Zitronenscheiben oder Zitronensaft und 2 Esslöffel Kapern. Die Soße kann mit Sahne verfeinert werden.
Alles nach Bedarf mit Pfeffer, Zucker, Essig und evtl. Muskat abschmecken. Die Klopse hinzugeben und alles 10-15 Minuten garen.
Wrukeneintopf / Steckrübeneintopf
Zutaten:
1 große Steckrübe ca. 300 g
1 große Zwiebel 500 g Kartoffeln Brühwürfel
Salz, Pfeffer, Thymian
Etwas Butter zum Andünsten
Zubereitung:
Wruken ist die pommersche Bezeichnung für Steckrüben. Die Wruken schälen und in kleine Würfel schneiden. Die Zwiebeln in Butter andünsten und die gewürfelten Wruken dazugeben. Mit Brühe aufgießen. Etwa 30-40 Minuten leicht köcheln lassen, nach 15 Minuten gewürfelte Kartoffeln dazugeben. Mit Salz, Pfeffer und Thymian abschmecken. Statt Thymian kann man frische Petersilie nehmen. Wer es mit Fleischeinlage mag, gebe Schweinefleisch oder Gänseklein dazu.
© gemeinfrei
Schlesische Mohnklöse
Zutaten:
4 Brötchen
2 Liter Milch
250 g gemahlenen Mohn 3 Päckchen Vanillezucker 100 g Zucker
200 g Mandeln
200 g Rosinen
200 g kleingehackte Trockenpflaumen Zitronat, Orangeat nach Belieben Rum-Aroma, Bittermandel-Aroma
Zubereitung:
Mohn mehrmals mahlen oder direkt gemahlenen Mohn verwenden. Den Mohn in der Milch langsam erwärmen, aufkochen und unter ständigem Rühren eine halbe Stunde köcheln. Zum Ende der Zeit die übrigen Zutaten (außer Brötchen) portions- weise hinzufügen. Je nach Bedarf eventuell noch Milch hinzufügen, damit die Masse am Ende flüssig wird. Orangeat und Zitronat nach Geschmack hinzufügen, ebenso Aromen.
Eine bzw. je nach Größe und Menge zwei Schalen vorbereiten. Brötchen in 1 cm dicke Scheiben schneiden und mit der Mohnmasse lagenweise schichten. Zuerst Brötchenscheiben auf dem Boden der Schale verteilen, dann Mohnmasse mit einer Kelle darüber gießen, Brötchen darauf schichten und andrücken, dann wieder im Wechsel. Zuletzt kommt die Mohnmasse, die die Brötchen vollständig bedeckt.
Die Schale mit Frischhaltefolie oder Teller abdecken, einen Tag kaltstellen.